Kommunikation durch Gedankenkraft

In Tübingen entwickeln Forscher eine Technik, die es Schwerstgelähmten erlaubt, einen Computer zu steuern. Sie steuern den Rechner mit ihren Gedanken.

 
 
  Erschienen im inzwischen abgeschalteten Online-Nachrichtenangebot Newsboard.de am 15. Januar 1999.  
 
 
  Telekinese - das ist angebliche Fähigkeit eines Menschen, Gegenstände nur mit Kraft der Gedanken zu bewegen. Was bislang eine Erzählung aus dem Reich der Fantasie war, wird dank moderner Technik Realität.

Am Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Tübinger Universität hat eine Forschergruppe um Professor Niels Birbaumer ein sogenanntes Biofeedback-Programm entwickelt, mit dessen Hilfe an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) Erkrankte trotz ihrer Krankheit mit der Umgebung Kontakt unterhalten können.ALS ist eine Lähmung des motorischen Nervensystems.

Die Forscher machen sich die elektrischen Ströme im menschlichen Gehirn zu Nutze, um einen Computer zu steuern. Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen arbeiten die Tübinger jedoch nicht mit Implantaten, sondern mit Elektroden, die auf der Kopfhaut des Patienten angesetzt werden, direkt über dem sogenannten Motorkortex des Gehirns, dem Bewegungszentrum. Die Elektroden nehmen die dort entstehenden elektrischen Ströme auf und leiten sie an den Computer weiter. Dort steuern die Impulse einen Mauszeiger.

Die Patienten lernen zunächst, den Motorkortex zu steuern, damit die Impulse stark genug für die Elektroden sind. Dann können sie Kraft ihrer Gedanken den Mauszeiger auf dem Computerbildschirm auf und ab bewegen. In der oberen Bildschirmhälfte befindet sich der erste, in der unteren Hälfte der zweiten Teil des Alphabets. Hat der Patient den Cursor in ein Alphabet-Feld bewegt, teilt sich dieses wieder in zwei Hälften - bis zum Schluß nur noch ein einziger Buchstabe übrig bleibt.

Diese Art der Kommunikation erfordert Geduld - in einem Feld mit 32 Zeichen dauert es 30 bis 45 Sekunden bei einer Treffsicherheit von 90 Prozent, bis ein Buchstaben ausgewählt ist; ein Satz dauert mitunter eine halbe Stunde. Dennoch erweisen sich die Patienten als lernfähig und recht kommunikativ - einer denkt bereits ganze Briefe.

Die Forscher verfolgen derzeit zwei verschiedene Wege, um die Treffsicherheit zu verbessern. Für die Patienten werden individuell optimierte Lernstrateigen entwickelt, um deutlich unterscheidbare Hirnsignale zu erzeugen.Gleichzeitig verbessern die Wissenschaftler die technische Seite, um die Hirnstrommuster der Patienten besser zu erkennen. Außerdem arbeiten sie an einer Verbesserung des Computer-Programms: Das soll Wörter nach wenigen Buchstaben erkennen und von sich aus beenden.

 
 
 

 
  © 1999 Werner Pluta, Newsboard.de; Mail: , Web: http://www.wpluta.de; 01/02 wp