Etwas Gedankenschmalz

Günther Ludewig ist einer der wenigen Architekten in Berlin, der keine Berührungsängste mit solarer Energie und der entsprechenden Architektur hat.

 
 
  Erschienen im tip, Heft 16/96.  
 
 
  tip:Ist Umweltschutz das wichtigste Argument für solares Bauen?

Ludewig: Auf alle Fälle. Es ist ganz wichtig, daß wir die ökologischen Kreisläufe mit berücksichtigen. Also nicht nur darauf gucken, wieviel Geld sparen wir. Energiesparen und Geldsparen sind zweierlei Dinge. Energie ist billig. Wenn man den ökologischen Kreislauf anschaut, also welche Energie ist nötig, um Rohstoffe bergen, transportieren, verwenden und entsorgen, also auch die Materialkreisläufe ökologisch bewertet, nur unter solchen Aspekten kommt man zu einer richtigen Einstufung und Bewertung von Energie und Material und deren Kosten.

tip: Wer ist baut denn solar - die Bauherren oder die Architekten?

Ludewig: Schwer zu sagen. Wir haben in erster Linie Einzelaufträge. Leute, die individuellen Wohnungsbau betreiben und auch selbst nutzen. Die wollen auch von den solaren Maßnahmen profitieren. Die Behinderung des solaren Bauens liegt eher an der Inkompetenz der Planer - um es mal ganz kraß auszudrücken.

tip: Wie hoch ist denn der Anteil der Inkompetenz?

Ludewig: Schätzungsweise 95 bis 99 Prozent der Architekten haben keine Ahnung von solarem Bauen. Das liegt an der Ausbildung und der mangelnden Bereitschaft im Kollegenkreis, sich in solche Systeme hineinzudenken. Zu diesem ersten kleinen Schritt, der nichts kostet außer etwas Gedankenschmalz, sind nur ganz wenige bereit.

tip: Welche Hemmnisse gibt es für solares Bauen im Wohnungsbau?

Ludewig: Im Mietwohnungsbau ist der Investor nicht derjenige, der von der Maßnahme profitiert. Die Heizkosten sind dem Vermieter egal. Es müßte ein wirtschaftlicher Anreiz geschaffen werden, daß Investoren in Energiesparsysteme investieren, um die Betriebskosten zu senken. Eine Möglichkeit wäre, solche Häuser durch eine ökologische Steuerreform zu entlasten.

tip: Bringt die Solaranlagenverordnung denn Mietpreiserhöhungen?

Ludewig: Mietpreiserhöhungen muß es nicht unbedingt geben, wenn flankierende politische Maßnahmen ergriffen werden, wie eine Unterstützung beim Bau der Solaranlage. Die Solaranlagenverordnung gilt ja nur für Neubauten, - nur bei Neubauten werden Solaranlagen überhaupt nicht gefördert. Jetzt ist der Energiepreis subventioniert, nicht aber die Errichtung von Solaranlagen bei Neubauten.

tip: Wie sieht es mit den Baukosten aus?

Ludewig: Die Kosten für eine Photovoltaikfassade sind vergleichbar mit einer Natursteinfassade. Doch der Bauherr will sich darüber nach außen präsentieren. Das ist eine Prestigesache. Bei der Photovoltaik oder anderen Solarsystemen ist die Fragestellung anders.

tip: Auch deshalb, weil die Ästhetik der Solararchitektur noch zuwenig akzeptiert ist?

Ludewig: Die ist bestimmt gewöhnungsbedürftig. Aber solares Bauen muß ja nicht anders aussehen als konventionelles Bauen. Die Oberflächen verändern sich, man sieht die Kollektoren. Aber die kann man ästhetisch und gestalterisch einbeziehen. Das ästhetische Problem kommt eher daher, daß viel zu spät an Solar-Systeme gedacht wird. Die werden dann auf ein bestehendes Konzept aufoktroyiert.

tip: In Bonn gibt es seit einiger Zeit die kostendeckende Einspeisevergütung. Kann Bonn damit eine Art Beispielsfunktion für Berlin übernehmen?

Ludewig: Welche Stadt Solarhauptstadt wird, wird sich noch zeigen. Berlin ist es im Moment noch nicht.

tip: Die Einspeisevergütung...

Ludewig: .. ist ein Anreiz, klar. Bis wir erst mal in die Größenordnung eines Versorgungsanteils von einem Promille kommen, müssen wir die Produktion der Anlagen vertausendfachen. Im Moment ist das, von der Quantität her, Spielerei. Insofern ist es völlig unverständlich, wieso die BEWAG sich dagegen sträubt. Das würde die gar nicht merken, wenn die zwei Mark pro solar erzeugte Kilowattstunde bezahlt.

tip: Ist die BEWAG also der größte Hemmschuh bei der Einführung der kostendeckenden Eispeisevergütung?

Ludewig: Die BEWAG sperrt sich mit dem Argument, daß die politischen Rahmenbedingungen dafür nicht gegeben seien. Ein Wirtschaftsunternehmen, das vom Energieverkauf profitiert, hat an Energieeinsparung kein wirtschaftliches Interesse. Es sei denn, es gibt die entsprechenden politischen Vorgaben. Aber da die BEWAG ja noch zu 51 Prozent dem Senat gehört, gibt es Einwirkungsmöglichkeiten.

 
 
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