Auf nach NSK!
 
 
  Erschienen in smile, dem "Schweizer Magazin über Internet, Lifestyle und Entertainment", Heft 3/98.

NSK ist vermutlich der erste virtuelle Staat im Internet. Ursprünglich war NSK - "Neue Slowenische Kunst" - eine Künstlergruppe in der jugoslawischen Teilrepublik Slowenien, die bereits Mitte der 80er Jahre für eine eigene slowenische Kunstszene eintrat. Gegründet wurde NSK von der Band Laibach.

 
 
 
  Eine slowenische Kulturgruppe hat im Internet einen virtuellen Staat ausgerufen: NSK bietet seinen Bürgern Pässe aus Papier, Visa und richtige, virtuelle Amtsstuben. In Verlegenheit geraten die NSK-Funktionäre nur, wenn man sie nach dem Sinn der Staatsveranstaltung fragt.

Ein Schild verkündet, der virtuelle Reisende sei bei der Elektronischen Botschaft von NSK in Tokio angekommen (lois.kud-fp.si/embassy/). NSK - das war ursprünglich in den achtziger Jahren eine Vereinigung von verschiedenen Künstlergruppen um die slowenische Industrial-Band Laibach (www.laibach.nsk.si/). Neben den Brachialmusikern gehörten zu NSK beispielsweise Schauspieler, Maler, Designer, Filmemacher.

Die Atmosphäre ist nicht gerade anheimelnd, die Site der Botschaft verströmt den diskreten Charme einer Strafkolonie: Schwarzer Hintergrund, in der Mitte das Bild eines Korridors, von dem die Büro der NSK-Abteilungen abzweigen. "NSK State" verkündet die erste Tür, hinter der die Propaganda-Abteilung residiert. Hier geht's ums Wesentliche: die Verfassung von NSK und vielsagende Grundsatzerklärungen: "Kurz gesagt: NSK ist in seiner Struktur ein einfacher und trotzdem komplexer Mechanismus, der jede präzise Erklärung in ein paar Worten praktisch unmöglich macht." Nichts wie raus hier.

Ein echter Pass des virtuellen Staates

Die nächste Abteilung widmet sich den praktischen Aspekten des virtuell-staatlichen Daseins: die Einwanderungsbehörde. Eine Einwanderungsbehörde für einen virtuellen Staat? Wie wandere ich in einen virtuellen Staat ein? Digitalisiert? Als Strichcode? Bin ich als Virtualianer noch Europäer? Ein Mausklopf und ich stehe in der Einwanderungsbehörde. Einen Pass könne ich beantragen, wird mir angeboten. Bevor ich mir ausdenken kann, was ich mit einem virtuellen Pass anfangen soll, wo ich ihn vorzeige und wer ihn kontrolliert, wird mir mitgeteilt, der Pass sei ein reales Dokument aus Papier und Pappe, dunkelgrün, 32 Seiten dick und entspreche europäischen Standards. Ein realer Pass für einen Euro-Cyberianer - Bearbeitungsgebühr 40 Franken oder 28 US-Dollar, zahlbar wahlweise in bar, mit Scheck oder Kreditkarte.

Und wozu das alles? Von Laibach-Mitglied Iwan war auch nur Wolkiges zu erfahren: "Als der Ostblock und Jugoslawien auseinander fielen, beschlossen wir unseren eigenen Staat zu gründen - unseren eigenen utopischen Staat NSK: Mit Pässen, ohne Territorium, ohne Grenzen, in dem jeder Bürger werden kann. NSK nannte sich ursprünglich Neue Slowenische Kunst. Es hat sich verändert in den letzten Jahren, wurde schlicht zu einem Warenzeichen, das sich NSK nennt. Heutzutage könnte es alles bedeuten wie Neue Standard Kultur bla bla bla - you know."

Dabei interessierten mich doch die praktischen Aspekte der NSK-Staatsbürgerschaft. Für welche Länderdomänen benötige ich zukünftig ein Visum? Kommt es in den virtuellen Behörden öfter zu Datenschlangen und drücken sich die Antragsteller stundenlang im Zwischenspeicher herum? Pfändet ein binärer Gerichtsvollzieher 200 Mbyte meiner Festplatte, wenn ich weigere, meine Cybersteuern zu bezahlen? Der Nutzen des realen Passes des virtuellen Staates im wirklichen Leben - und bekam am Ende doch noch eine befriedigende Antwort: "Wenn man fest genug an den Pass glaubt, dann kann man damit Grenzen überqueren. Ich bekam auf dieser Tour einen Stempel an der italienischen Grenze."

 
 
 

  © 1998 Werner Pluta, smile; Mail: , Web: http://www.wpluta.de; 04/99 wp