Karrierejagd

Was aussieht wie ein Onlinespiel, ist ein Test für Stellensuchende - der mehr verrät als so mancher Fragebogen

 
 
  Erschienen in der Frankfurter Rundschau am 26. April 2004  
 
 
  Jobs werden schon lange über das Internet gesucht. Personalabteilungen verwenden das Medium jetzt auch, um die Bewerber besser kennen zu lernen. Statt altmodischer Einstellungstests mit Denksportaufgaben, setzen die Programme auf unterhaltsame Spielszenarien.

Bei der Karrierejagd durch das Internet etwa müssen Bewerber niedlichen Netzbewohnern gegen eine dunkle Macht helfen. "Recrutainment" nennt das Hamburger Unternehmen Cyquest das, eine Mischung aus Recruitment (Anwerbung) und Entertainment (Unterhaltung). Während der Schnitzeljagd durch die Online-Welt werden die Arbeitssuchenden nach Fachkenntnissen gefragt und müssen nicht fachspezifische Qualifikationen wie Führungsstärke oder Fähigkeit zur Konfliktlösung (Soft Skills) beweisen.

Dazu bewältigen sie praxisnahe Aufgaben: So sollen sie als Projektleiter einer Internet-Agentur unter mehreren möglichen Aufträgen auswählen, wobei sie die Finanzen ebenso im Blick behalten müssen wie das Renommee der Auftraggeber und die Überstunden der eigenen Beschäftigten. Für Rechercheaufgaben müssen sie die Websites der Cyquest-Partnerunternehmen aufsuchen, die sich so dem künftigen Angestellten präsentieren.

Vorteil des Bewerbungsspiels: Die Kandidaten absolvieren die Prüfung in einer vertrauten Umgebung - "ohne die Angst, die man vor solchen Tests normalerweise hat", sagt Cyquest-Mitarbeiter Tim Jägeler. Am Ende des etwa zweistündigen Spiels, das stets unterbrochen werden kann, erhält Cyquest ein Profil der Bewerber. Die Daten können die Kunden anonymisiert einsehen. Besteht Interesse an einem der Bewerber aus dem Netz, stellt Cyquest den Kontakt her.

Im Vergleich zu herkömmlichen Persönlichkeitstests haben die Online-Szenarien einen weiteren Vorteil: "Herkömmliche Einstellungstests messen, wie die Leute gern wären und wie sie sich selbst sehen, nicht, wie sie sich wirklich verhalten. Wer gefragt wird, ob er hilfsbereit ist, wird immer mit 'Ja' antworten. Ob er aber einer älteren Dame über die Straße hilft, ist eine andere Sache", sagt Luzi Beyer, Psychologin an der Berliner Humboldt-Universität.

Um Eigenschaften wie intellektuelle Auffassungsgabe oder Handlungsorientierung herauszufinden, schickt Beyer Bewerber in einen Zauberwald. Er ist ein Teil des Onlinetests Regatoo (Abkürzung von "Recruitment Game Tool"), den die Psychologin mit den Programmierern Serjoscha Maerz und Joris Kloska entwickelt hat.

Die Bewerber schlüpfen in die Rolle eines Ritters, der einen Ausweg aus dem Wald finden muss. Versperren Baumstämme den Weg, braucht er eine Axt, um den Weg freizuräumen. Aber die muss er erst mal finden. Zur Fortbewegung steht dem Ritter ein edles Ross zur Seite, das jedoch den Dienst verweigert, wenn es Durst verspürt. Also muss der Ritter eine Quelle suchen. Ein Gefäß wäre ebenfalls hilfreich. "Wenn der Kandidat merkt, dass das Pferd häufig Wasser braucht, und er kommt mit einem Eimer in der Hand an der Wasserstelle vorbei, könnte er den Eimer füllen und den vollen Eimer mitnehmen. Das wäre ein strukturiertes, zielgerichtetes Verhalten", erklärt Beyer.

Die Bewerber sollten also wissen: Während ihr Ritter durch den Wald irrt, zeichnet das System jede Mausbewegung, und jeden Tastendruck auf. Alles ist relevant: Wie lange lesen die Spieler die Handlungsanweisungen für das Szenario? Probieren sie die Gegenstände zuerst aus oder legen sie gleich los? Wie zielgerichtet gehen sie im Wald vor? Wie oft rufen sie die Hilfefunktion auf?

Dabei ist es gar nicht erwünscht, dass die Probanden ihre Aufgabe schnell lösen - entsprechend gut ist der Ausgang auch versteckt: "Wir wollen sehen, wie strukturiert sie an die Probleme herangehen. Finden sie den Weg aus dem Wald zu schnell, können wir das Verhalten nicht auswerten", sagt Beyer. Die Analyse übernimmt der Computer, sobald die Bewerber am Ende sind. Das Ergebnis bekommen die Auftraggeber per E-Mail zugesandt.

Viele Unternehmen stehen den Werkzeugen skeptisch gegenüber. So berichtet die Berliner Psychologin, Regatoo stoße zwar auf Interesse in den Personalabteilungen. Aber es fehle oft der Mut, das Werkzeug einzusetzen. Anders ist das bei der Online-Karrierejagd, berichtet Cyquest-Mitarbeiter Jägeler. Das Bewerbungsspiel scheint den Nerv der jungen Zielgruppe zu treffen: Am nach Cyquest-Angaben "größte Online Recrutainment Event im Internet" haben sich seit dem Jahr 2000 schon 110 000 Interessenten beteiligt.

Die Kunden, darunter Price Waterhouse Coopers, Lufthansa oder Audi, setzen das Computerspiel bewusst zur Imageförderung bei der jungen Zielgruppe ein. Auch Siemens hat vor einigen Jahren hat mit dem vergleichbaren Bewerberspiel Challenge-Unlimited gute Erfahrungen gemacht. Dem Großunternehmen gelang es, Absolventen anzusprechen, die sich sonst nicht für eine Anstellung bei Siemens interessierten.

 
 
  www.karrierejagd.de - Spiel optimiert für Internet Explorer ab Version 4

www.regatoo.com - Informationen und Testversion. Macromedia Shockwave erforderlich, für Netscape optimiert.

 
 
 

 
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