Elektronische Börse voller Bargeld

Ein neues Verschlüsselungsverfahren ermöglicht Internet-Geschäfte ohne Preisgabe der Kreditkartennummer

 
 
  Erschienen in der Berliner Zeitung am 16. April 2003. Diesen Text finden Sie auch im Internetangebot der Berliner Zeitung.  
 
 
  Bei Einkäufen im Internet wird per Kreditkarte, Bankeinzug oder Nachnahme abgerechnet. Diese Zahlungsarten sind anerkannt und bewährt. Allerdings scheuen viele Nutzer immer noch das Risiko, das mit dem Versenden der Kreditkartennummer verbunden ist.

Abhilfe könnte eine elektronische Geldbörse schaffen, die Mathematiker um Albrecht Beutelspacher an der Universität Gießen entwickelt haben. Mit dem Geld aus dem digitalen Portmonee kann man vom eigenen Computer aus in Web-Shops einkaufen.

Dafür stellt der Käufer zunächst von seinem Rechner aus eine Verbindung zur Bank her. In einem Menü wählt er die Münzen aus, die er in seine elektronische Geldbörse transferieren möchte. Er authentifiziert sich mit einer persönlichen Kennziffer und einem Passwort, und schon wandern die digitalen Münzen auf seinen Computer. Die Transaktion ist eine Sache von wenigen Mausklicks.

Ähnlich unkompliziert ist der Online-Einkauf. Der Nutzer wählt auf der Website des Händlers einen Artikel aus. Er meldet sich an, überträgt die Münzen und schon ist das Geschäft abgeschlossen.

Damit die Internetkunden es leicht haben, ließen die Gießener Mathematiker sich einiges einfallen. Ihr Ziel war, das elektronische Geld fälschungssicher und in seiner Echtheit verifizierbar zu machen. Damit es auch die gleiche Anonymität wie Bargeld gewährt, erzeugt der Nutzer seine digitalen Münzen selbst, auf dem eigenen Rechner. So kann die Bank nicht dokumentieren, welche digitalen Münzen sie an ihren Kunden herausgegeben hat.

Aber wie kann man Münzen am Computer selbst herstellen? Beim Versuch, das zu erklären, greift die Mathematikerin Heike Neumann zu einem roten Papierblatt: "Nehmen wir einmal an, das Blatt sei fünf Euro wert", sagt sie. "Dann stecken wir es in einen Kohlepapier-Umschlag, füllen beides in einen Briefumschlag und schicken diesen Brief an die Bank."

Die Bank belastet das Konto des Absenders mit fünf Euro, stempelt den Umschlag mit einem Fünf-Euro-Stempel und schickt ihn an den Kunden zurück. Der öffnet den Umschlag, entnimmt diesem den Kohlepapierumschlag mit dem roten Papier, auf dem sich der durch das Kohlepapier hindurchgedrückte Stempel der Bank befindet. Dieser Stempel weist aus, dass das rote Papier fünf Euro wert ist, ohne dass die Bank weiß, was sie zertifiziert hat. Mit dem roten Papier kann der Kunde dann bei einem Händler einkaufen.

In der Welt der Computer sind der Umschlag, das rote und das Kohlepapier sowie der Stempel Zahlenkolonnen und mathematische Operationen. Das rote Papier ist eine Zahlenkolonne, die auf dem Computer des Nutzers erzeugt wird. Anschließend wird diese Zahl geblendet, das heißt, sie wird so verändert, dass sie nicht mehr zu erkennen ist.

Den geblendeten Datensatz schickt der Nutzer mit der Wertangabe an seine Bank. Diese prüft die Identität ihres Kunden, belastet sein Konto und signiert den Datensatz mit einem geheimen Münzschlüssel. So bestätigt die Bank die Bonität des Datensatzes, ohne diesen zu kennen. Anschließend schickt die Bank den signierten Datensatz, also die elektronischen Münzen, an den Kunden zurück. Dieser macht die Blendung rückgängig und erhält so seine Zahl, signiert mit dem Münzschlüssel der Bank. Dieses Geld kann er nun beim Onlinekauf ausgeben, indem er den signierten Datensatz an den Händler schickt. Der überprüft die elektronische Münze mit dem öffentlichen Schlüssel der Bank, den er aus dem Internet lädt, und lässt sich den Betrag von der Bank auszahlen.

Da die elektronische Geldbörse nicht nur auf dem PC installiert werden soll, sondern auch auf Organizern und Mobiltelefonen mit geringerer Rechenkapazität, darf sie nur wenig Rechenleistung beanspruchen. Das wirft Probleme bei der Verschlüsselung auf. Denn der Schlüssel muss aus Sicherheitsgründen eine gewisse Größe haben. Üblich sind 1 024 Bit große Schlüsse - das entspricht einer Zahl mit 300 Stellen. Die Gießener Mathematiker setzen deshalb ein alternatives, auf elliptischen Kurven basierendes Kryptografie-Verfahren ein. Dieses kommt bei gleicher Sicherheit mit einem nur 160 Bit großen Schlüssel aus.

Noch hat das System ein paar Tücken. So weigert sich der Computer des Kunden, ein Geschäft mit digitalem Geld abzuwickeln, wenn er nicht über die richtige Stückelung der Münzen verfügt. "Das Wechselgeld-Problem werden wir bald in den Griff bekommen", versichert Heike Neumann. Sie rechnet damit, dass in zwei Jahren die technischen Grundlagen für ein marktreifes Produkt geschaffen sind.

 
 
 

 
  © 2003 Werner Pluta, Berliner Zeitung; Mail: , Web: http://www.wpluta.de; 02/04 wp