Der große Bruder hinter den Bannern

In den USA sammelt Doubleclick Nutzerdaten aus Webaktivitäten und Katalogbestellungen. Das Werbenetzwerkverteidigt personalisierte Werbung als Nutzwert für den Surfer. Datenschützer kritisieren die Praxis

 
 
  Erschienen in Net-Business, Ausgabe 5 vom 21. Februar 2000  
 
 
  Wer im Internet nach einem neuen Auto sucht, wird vielleicht bald auf jeder Web-Seite Autowerbung finden. Moderne Werbenetzwerke ermöglichen den gezielten Einsatz von Bannern. Für Werbetreibende, die ihre Anzeigen treffsicher an Konsumenten bringen wollen, ein Traum, den Doubleclick, größter Werbevermarkter im Internet, realisiert.

Im Sommer vergangenen Jahres kaufte Doubleclick das amerikanische Direkt-Marketing-Unternehmen Abacus. Es besitzt eine Datenbank mit Kundenprofilen aus dem Versandhandel. Hier sind knapp zweieinhalb Milliarden Bestellungen sowie die Profile von 88 Millionen US-Haushalten erfasst. Alle mit Namen, Adresse und Kaufverhalten.

Doubleclick selbst unterhält eine Datenbank, in der nach eigenen Angaben 100 Millionen Cookies gespeichert sind. Der US-Werbevermarkter kann Cookie-Einträge von den Internet-Seiten seiner 1500 Kunden abfragen, auf denen rund 50.000 Werbe-Banner geschaltet sind.

Das Unternehmen plant, die beiden Datenbanken zusammenzuführen, um die anonymen Online-Nutzerprofile zu personalisieren. Mehrere Betreiber von Netzangeboten, die Personendaten auf ihren Seiten erfassen, haben sich bereit erklärt, diese Daten auch weiterzugeben. Doubleclick erhält so personalisierte Profile von Millionen Konsumenten.

Deutsche Surfer sind sicher, solange sie sich im deutschen Internet aufhalten. Bei der Gründung von Doubleclick Deutschland 1998 entschloss man sich, nicht nur auf die Erfassung von Daten, sondern auch auf den Einsatz von Cookies zu verzichten. "Wir nutzen keine Cookies, obwohl es rechtlich zulässig wäre. Wir verzichten bislang darauf, weil das Verständnis im Markt nicht gegeben war", so Geschäftsführer Arndt Groth, 35. Auf die US-Daten kann der deutsche Unternehmenszweig nicht zugreifen.

Nach Angaben des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Hans-Herrmann Schrader muss der Nutzer auf den Einsatz von Cookies hingewiesen werden und sie zudem abschalten können. "Hinter dem Rücken, ohne Kenntnis des Nutzers, ist der Einsatz von Cookies unzulässig", so Schrader.

Dennoch verteidigt Groth die Zielwerbung. Personalisierte Werbung sei nichts anderes als die Erweiterung des Informationsangebotes, das der Nutzer aufgerufen habe. Wenn in einem Cookie festgehalten ist, dass sich der Nutzer fürs Angeln interessiert, findet er auf werbefinanzierten Angeboten keine Banner mit Computer-Werbung.

Auch Michael Beilfuß, 30, Geschäftsführer des Werbenetzwerkes Adlink Deutschland, sieht in der personalisierten Online-Werbung "ein riesiges Wachstumspotenzial". Allerdings fehlten neben der Akzeptanz der Nutzer einheitliche juristische Rahmenbedingungen. Hier sei, so Beilfuß, der Gesetzgeber gefordert.

Nach dem deutschen Teledienstesdatenschutzgesetz (TDDSG) dürfen zur Erstellung von Nutzerprofilen Daten wie demographische Angaben, Warenströme oder Käuferanalysen zusammengeführt werden. Diese müssen jedoch pseudonymisiert sein, damit nicht auf eine Einzelperson rückgeschlossen werden kann. "Das ist für Unternehmen sehr viel wert in ihrer Einkaufsstrategie, deshalb lässt das Gesetz das auch pseudonym zu", so Datenschützer Schrader.

In den USA ließen Proteste gegen Doubleclick nicht lange auf sich warten. Datenschützer des "Center for Democracy and Technology" (CDT) organsierten eine e-Mail-Kampagne unter dem Motto: "I will not be targeted!"

Die Kommentatorin der "Business Week" verlangte - für die USA höchst ungewöhnlich - nach staatlichem Eingreifen: "Niemand will einen Großen Bruder in Washington, der das Internet reguliert, dennoch muss jemand Maßstäbe für den Umgang mit Personendaten schaffen. Im Moment passt dieser Schuh nur der Bundesregierung."

Die Proteste zeigen Wirkung: Die amerikanische Kartellbehörde, die Federal Trade Commission, ermittelt jetzt gegen den Werbevermarkter.

Doubleclick bietet Nutzern in den Vereinigten Staaten die Möglichkeit, der Speicherung ihrer Daten zu widersprechen. Dazu müssen diese aber erst erkennen, dass ihre Daten gesammelt werden. In anderen Ländern, in denen Doubleclick aktiv ist, werden die Nutzer über eine Erfassung ihrer persönlichen Daten informiert und müssen zustimmen. "Wir richten uns in jedem Land nach den örtlichen Gepflogenheiten. Die Leute müssen sich mit den über sie erhobenen Daten wohlfühlen", sagt Kevin P. Ryan, 38, President von Doubleclick in den USA.

 
 
 

 
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