Greencard-Bewerber: Für viele Startups zu teuer

Trotz grünem Licht aus Bonn: Die Greencard bleibt weiter umstritten. Die Startups befürchten, bei der Zuteilung benachteiligt zu werden, da sie das festgesetzte Mindestjahresgehalt von 100.000 Mark nicht zahlen können. Unterdessen halten einige Bundesländer an ihren Alleingängen fest, weil ihnen die Greencard zu unflexibel ist.

 
 
  Erschienen in Net-Business, Ausgabe 16 vom 24. Juli 2000  
 
 
  Für Bundeskanzler Gerhard Schröder gingen am 14. Juli Wünsche in Erfüllung: An diesem Tag stimmte der Bundesrat in Bonn nicht nur der Steuerreform, sondern auch der Greencard-Verordnung zu, die am 1. August in Kraft tritt.

Damit ist der Weg frei für die IT-Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern. Zunächst 10000 ausländische Computerspezialisten können zusammen mit ihren Familien nach Deutschland kommen; bei Bedarf soll die Zahl auf 20000 erhöht werden.

In der Online-Vermittlungsbörse für IT-Fachkäfte der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung können sich deutsche Arbeitgeber und ihre zukünftigen Arbeitnehmer miteinander bekannt machen. Bisher sind dort rund 4100 Bewerbungen eingegangen - die Hälfte in den ersten Tagen nach der Entscheidung im Bundesrat. Die meisten Interessenten kommen aus Bulgarien, Pakistan und Indien. Die Arbeitgeber nutzen das Webangebot der Arbeitsvermittler aber noch sehr zögerlich: Nur rund 300 Unternehmen haben Stellenangebote gepostet.

Erfüllt also die Greencard doch nicht die Wünsche der Industrie? Zumindest die Startups fühlen sich benachteiligt. Für Martina Pickhardt, 32, Vorstandsvorsitzende der Hamburger Cocus AG, ist die Greencard "eine Lösung für Großunternehmen, nicht aber für den deutschen Mittelstand".

Für kleine Unternehmen ist vor allem das Mindesteinkommen ein Hindernis. "100.000 Mark im Jahr können wir niemandem zahlen", sagt Clifford Fullerton, 33, Director of Content beim Berliner Startup Datango GmbH. "Wir können nur auf die Hochschulabgänger ohne Berufserfahrung setzen."

Dieses Problem ist auch einigen Politikern bekannt. Um Abhilfe zu schaffen, schlugen die rheinland-pfälzischen Vertreter im Wirtschaftsausschuss des Bundesrats vor, die Gehaltsgrenze auf 75.000 Mark zu senken. "Es müssen unbedingt auch die Interessen junger Firmengründer, denen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland große Bedeutung zukommt, beachtet werden", hieß es in der Empfehlung – die lehnte der Bundesrat jedoch ab.

Und noch ein Problem wurde in der Empfehlung angesprochen: "Aus Sorge um den Mittelstand", so Albert Klein, Ministerialrat im Wirtschaftsministerium Baden-Württembergs, schlug sein Land im Wirtschaftsausschuss vor, 20 Prozent der Greencards für Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitern zu reservieren. "Wir haben die Quote empfohlen, weil die kleineren Unternehmen größere Schwierigkeiten haben, neue Mitarbeiter zu rekrutieren", so Klein. Allein, er fand kein Gehör im Bundesrat.

Datango-Mitarbeiter Fullerton beschreibt den Nachteil der Startups gegenüber großen Unternehmen wie IBM oder SAP: "So sehr die Kleinen suchen, sie können nicht so laut die Werbetrommel rühren wie die Großen."

Auch bei einigen Politikern herrscht Unzufriedenheit über die Entscheidung des Bundesrats. Bayerns Innenminister Günther Beckstein, 56, CSU, fordert: "Wir müssen gerade die Zuwanderung, die unser Sozialsystem belastet, einschränken. Unsere Devise muss heißen: Mehr Zuwanderer, die uns nutzen, und weniger, die uns ausnutzen."

Deshalb will sein Bundesland den Alleingang bei der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte weiterführen. Neben Bayern setzt nun auch Hessen auf eine eigene Karte. "Die Blaue Karte orientiert sich am Bedarf", begründet Peter Freier, Sprecher des hessischen Innenministeriums, den eigenen Weg. Dieser werde durch die Greencard jedoch nicht gedeckt.

Außerdem, so argumentieren Hessen und Bayern, erlaube ihre Blaue Karte eine flexiblere Handhabung der Aufenthaltsdauer, die nicht auf fünf Jahre festgesetzt sei, sondern von der Dauer des Arbeitsvertrages abhänge. "Sie ist mehr auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnitten", so Freier.

Auch Baden-Württemberg und Niedersachsen setzen auf schnelle, unbürokratische Maßnahmen, um ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen. "Wir überlegen uns, wie wir die Greencard auf Ingenieursberufe ausweiten können", erklärt Volker Benke, stellvertretender niedersächsischer Regierungssprecher. "Wir brauchen aber kein bayrisches Modell. Wir wollen keine Kopplung mit dem Asylrecht."

"Wir nutzen schon lange die Möglichkeit, Spezialisten aus dem Ausland auf der bestehenden Rechtsgrundlage Arbeitsgenehmigungen zu erteilen", sagt Thomas Langheinrich, stellvertretender Regierungssprecher von Baden-Württemberg. Dort beschäftigen Betriebe viele ausländische Fachkräfte – im IT-Sektor ebenso wie in der Land- und Forstwirtschaft.

 
 
 

 
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