Der Geheimdienst liest mit
 
 
  Erschienen in Net-Business, Ausgabe 11 vom 15. Mai 2000  
 
 
  Nicht nur Staaten, die die Presse kontrollieren, ziehen eine Regulierung des Internets in Erwägung. Auch demokratische Staaten mit Pressefreiheit versuchen Restriktionen für Webinhalte einzuführen, wie es die USA mit dem National Communication Decency Act versuchte.

Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 will ein Überwachungszentrum für Computerkommunikation einrichten. Das Zentrum mit dem euphemistisch klingenden Namen Government Technical Assistance Centre (GTAC; etwa: Regierungszentrum für technische Hilfe) soll das Surfverhalten sowie die e-MailKommunikation der Briten überwachen. Denn Kriminelle nutzten immer häufiger moderne Kommunikationsmittel, so das Innenministerium. Deshalb müssten die Strafverfolger Maßnahmen gegen Missbrauch und Cyberkriminalität ergreifen. Die britische Regierung stellt für GTAC 25 Millionen Pfund (etwa 83 Millionen Mark) bereit.

In Russland zwingt der FSB, Nachfolger des KGB, die Provider im Zuge des Abhörprojekts SORM 2 (Systema operativno-rozysknajh meropriyatii), den Sicherheitskräften Zugriff auf ihre Server zu ermöglichen. Der FSB kann so, ohne richterliche Genehmigung und ohne den Provider zu informieren, Surfgewohnheiten "abhören". Die Kosten für die Einrichtung der Hintertür für den FSB tragen die Provider. Wegen fehlender Gesetze hat die russische Regierung bei der Regulierung des Internets freie Hand.

Eine französische Gesetzesvorlage wendet sich gegen die anonyme Veröffentlichung von Texten im World Wide Web. Nach dem Gesetz muss der Autor der Sites Namen und Adresse beim Provider hinterlegen. Ist der nicht in der Lage, einen Autor zu identifizieren, droht eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten sowie eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 Franc (etwa 15.000 Mark). Betroffen von dieser Regelung sind Homepages ebenso wie Mailinglisten, Diskussionsforen und Chaträume; ausgenommen sind lediglich rein private Dokumente.

In der Türkei legte kürzlich das Verteidigungsministerium einen Gesetzesentwurf vor, nach dem Provider Abhörprogramme auf ihren Servern installieren sollen. Wer sich weigert, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen.

 
 
 

 
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