Mehr Demokratie wagen im Internet
 
 
  Erschienen in Net-Business, Ausgabe 14 vom 26. Juni 2000  
 
 
  Zwei Männer haben eine Vision: Direkte Demokratie, also die Beteiligung der Bürger an der Gesetzgebung, ist das Ziel von Cem Özdemir (Bündnis 90/Grüne), 34, und Jörg Tauss (SPD), 46.

Die beiden Bundestagsabgeordneten haben das Projekt e-Demokratie gegründet: Im Internet können Bürger sich an der Neufassung des Datenschutzgesetzes beteiligen. "Möglichst schnell" soll die entsprechende Website mit Leben gefüllt werden, versprechen die Macher. Geplant sind unter anderem offene und geschlossene Diskussionsforen, in denen einzelne Passi des Gesetzesentwurfes diskutiert werden.

Das Projekt steht im Zusammenhang mit der von den Grünen initiierten Diskussion um die Volksentscheide - getreu dem Willy-Brandt-Slogan "Mehr Demokratie wagen".

Zum Auftakt trafen sich die beiden Abgeordneten Mitte Juni mit Datenschützern, Rechtsexperten und Informatikern in Berlin. Drei Tage diskutierten sie über die Perspektiven eines neuen Datenschutzgesetzes.

Dessen Novellierung wurde notwendig, weil das alte Gesetz durch häufige Ergänzungen unübersichtlich geworden ist. Ohne Datenschutz und Datensicherheit kann aber eine moderne Informationsgesellschaft nicht existieren - und damit auch keinen starken e-Commerce entwickeln. Tauss: "Das alte Argument, Datenschutz sei Täterschutz, ist in der Infomationsgesellschaft obsolet geworden."

Die erste Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes, eine Anpassung an die EU-Datenschutzrichtlinie, hat das Bundeskabinett bereits gebilligt. Sie hält zur Datenvermeidung an - also möglichst wenig Nutzerdaten zu sammeln. Den Bürgern wird das Recht auf Einsicht und Änderung der Daten eingerämt, die andere über sie gesammelt haben. Außerdem dürfen Nutzerdaten dann nur ins Ausland weitergegeben werden, wenn dort ein vergleichbarer Datenschutz existiert.

Nach Ansicht der Parlamentarier aber reicht diese erste Ausbaustufe nicht aus: Es fehlen noch die Rahmenbedingungen für die Informationsgesellschaft. Dazu gehört unter anderem ein Recht auf Anonymität im Internet.

Auch die Bestrebungen der Sicherheitsbehörden, im Internet zu lauschen, soll das neue Gesetz regeln. Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka, 52, will sicherstellen, dass "die Polizei nicht qua Internet mit auf dem Sofa sitzt". Zusätzlich soll ein Datenschutzgütesiegel entwickelt werden, das für besondere Verfahren zur Datenvermeidung oder Datensicherheit vergeben wird.

"Unsere Initiative soll Vorbildcharakter für andere Gesetze haben", so Özdemir. "Bei uns ist nicht der Bürger, sondern der Staat gläsern. Wir freuen uns auf die Mitarbeit der Bürger." Da haben sie einiges vor sich: Die beiden Abgeordneten und ihre Mitarbeiter müssen die Forenbeiträge allein auswerten.

 
 
 

 
  © 2000 Werner Pluta, Net-Business; Mail: , Web: http://www.wpluta.de; 08/03 wp