Farbenlehre auf Bayrisch
 
 
  Erschienen in Net-Business, Ausgabe 15 vom 10. Juli 2000  
 
 
  Der bayrische Innenminister Günther Beckstein (CSU), 56, sieht rot, wenn es um die Greencard geht. "Bayern führt stattdessen eine blaue Karte ein, die auf der Grundlage des bereits bestehenden Rechts flexiblere Lösungen erlaubt als die Greencard", so Beckstein.

Die Anfang Juli beschlossene Bluecard erlaubt es bayrischen Arbeitgebern, sofort ausländische Computerfachleute einzustellen. "Wir brauchen dafür nur eine dreiseitige Verwaltungsanweisung an die Ausländerbehörden", sagt Michael Ziegler, Sprecher des bayrischen Innenministeriums. Das Ministerium will bei Bedarf Bluecards auch an Spezialisten anderer Fachrichtungen verteilen.

Will ein bayrischer Arbeitgeber einen ausländischen IT-Fachmann einstellen, besorgt er zuerst die Zusicherung einer Arbeitserlaubnis vom Arbeitsamt und schickt sie an seinen zukünftigen Mitarbeiter. Dieser sucht dann mit der Zusicherung ein deutsches Konsulat vor Ort auf und erhält dort ein Visum für drei Monate. In Bayern angekommen, stellt ihm die Ausländerbehörde das endgültige Visum aus, dessen Befristung an die Dauer des Arbeitsvertrags geknüpft ist.

Der Computerspezialist kann damit länger als die fünf Jahre bleiben, die ihm die Greencard zugesteht, muss aber möglicherweise auch früher den Heimweg antreten. "Warum sollte man jemandem die Erlaubnis für fünf Jahre erteilen, wenn er nur für ein einjähriges Projekt gebraucht wird", begründet Beckstein die Begrenzung. "Kernpunkt unseres Konzepts ist deshalb eine Begrenzung der Gesamtzuwanderung, weil Deutschland kein klassisches Einwanderungsland ist und auch künftig nicht zum Einwanderungsland werden soll", so der christlich-soziale Minister.

Sonst unterscheidet sich Becksteins Karte wenig von "Schröders PR-Gag" (Ziegler). Wie die grüne setzt auch die blaue Karte ein entsprechendes abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein Mindestgehalt von 100.000 Mark im Jahr voraus.

Das Bundeswirtschaftsministerium reagiert gelassen auf die blauweiße Konkurrenzkarte. "Wenn die Länder, die sich anfangs gegen die Greencard gewandt haben, nun auch eine Aufenthaltserlaubnis einführen, dann zeigt das nur, dass sie den Bedarf erkannt haben. Auf die Bemühungen der Regierung wird das jedoch keinen Einfluss haben", kommentiert Ministeriumssprecherin Sabine Maass den bayrischen Vorstoß.

Die niedersächsische SPD-Landesregierung hält nichts von der Bluecard-Initiative: "Diese Regelung ist unaufrichtig, weil die Bayern so tun, als ginge es im Alleingang", kritisiert Jürgen Wittenberg, Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums. Tatsächlich seien die Bayern auf die Zusammenarbeit mit Bundesbehörden, Arbeitsämtern und Botschaften angewiesen. "Es gibt nun mal keine bayrischen Botschaften", so Wittenberg.

Zustimmung kommt dagegen von Münchner Startups. "Aus Sicht eines Hightech-Startups begrüße ich alles, was ausländische IT-Fachkräfte schneller und unbürokratischer nach Deutschland bringt", sagt Michael Birkel, Geschäftsführer von 12snap. Ecircle-Geschäftsführer Volker Wiewer, 34, bekräftigt: "Wir können unsere Produkte nicht weiterentwickeln, weil uns die Fachleute fehlen – wir brauchen die ausländischen Arbeitskräfte dringend. Problematisch ist jedoch die 100.000-Mark-Regelung." Günther Beckstein forderte die anderen unionsregierten Länder auf, ebenfalls eine Bluecard einzuführen.

 
 
 

 
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