Der Leopardenmann im Käfig

Die 100 besten Tätowierer der Welt trafen sich zur Tattoo-Convention

 
 
  Erschienen in der Berliner Zeitung am 11. Dezember 1995. Diesen Text finden Sie auch im Internetangebot der Berliner Zeitung.  
 
 
  Die Luft ist erfüllt vom Sirren der Tätowierapparate. Eine Geräuschkulisse wie in einer riesigen Zahnarztpraxis, die einem Schauer den Rücken hinunterlaufen lassen. Dabei ist es warm, ja stickig im Huxley's, die richtigen Temperaturen für die halbnackten Gestalten, die hier stolz ihre Körperbilder zur Schau tragen. Zur 5.Tattoo-Convention am Wochenende im Huxley's hatten sich die rund 100 weltbesten Tätowierer von allen Kontinenten zur Präsentation ihrer Kunst zusammengefunden. Entsprechend war der Andrang derer, die ihre Körper von Tattoos oder Piercings (Metallringe, die durch alle nur denkbaren Körperteile gebohrt werden) verschönen lassen wollten. Rund zehntausend Tätowierte und Schaulustige zog es zu dieser Show. Nasen, Augenbrauen, Lippen, Zungen oder Brustwarzen - Platz für den Körperschmuck ist überall. In einem Käfig rekelt sich der Leopardenmann - der Mensch ist von der Glatze bis zu den Zehen im Raubtierlook tätowiert, hat sich sogar seine Zähne anfeilen lassen. An den Ständen der Tätowierer sitzen oder liegen diejenigen, die sich Bilder in die Haut stechen lassen. Umringt von Zuschauern auch Reinhold, der sich von Doron aus Israel ein großes Tattoo auf der Brust anbringen läßt. Dabei verzieht er keine Miene. Nie würde er zugeben, daß Tätowieren auch weh tut. Doron hat erst letztes Jahr mit dem Tätowieren angefangen. Vorher, sagt er, habe er Motorräder repariert, das sei erheblich anstrengender gewesen. Bikertum und Tattoos, das gehört zusammen.

Diese Art von Körperschmuck wird immer beliebter, nicht nur unter Bikern und Szeneschönheiten, auch "ganz normale" Leute wie Gerald (38) und Alexandra (24), eigens aus Seesen angereist, suchen nach geeigneten Motiven. Alexandra, die schon mit tätowierten Oberarmen und Schultern angereist war, sagt: "Tätowerien macht süchtig. Es ist wie Chips essen, hat man erstmal angefangen, kann man nicht mehr aufhören."

Viele kamen auch, um Stargast H.R.Giger zu sehen, Schöpfer des Filmmonsters Alien. Das Alien lassen sich Liebhaber vorzugsweise als Tattoo auf die Haut bringen. Allabendlich sahen die Künstler mit Spannung der Prämierung der schönsten Bilder des Tages entgegen. Kleine Tattoos gibt's übrigens ab 100 Mark, nach oben sind die Preise offen.

 
 
 

  © 1995 Werner Pluta, Berliner Zeitung; Mail: , Web: http://www.wpluta.de; 04/99 wp