Keine Patentrezepte

Eine "philosphische praxis" hat eröffnet

 
 
  Erschienen in der Berliner Zeitung am 18. November 1994.  
 
 
  Häufiger wird der Verlust von Phantasie und Utopie beklagt. In Berlin haben sich jetzt die drei jungen Philosophen Stefan Münker, Alexander Roesler und Knut Sprenger zusammengetan, um der Zeitkrankheit "Geistlosigkeit" auf den Leib zu rücken. In der Leberstraße 33 eröffneten sie kürzlich ihre "philosophische praxis". Ein sparsam eingerichteter Raum empfängt den Besucher. "Wir wollen keine modische Atmosphäre vermitteln, sondern Inhalte", erklärt Knut Sprenger. Er will die Klienten zu vernunftgeleitetem Handeln motivieren, sie befähigen, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.

Mit dem florierenden Markt, der das Bedürfnis nach Sinnstiftung bedient, wollen die drei nichts zu tun haben. Auch die Konzepte der etwa 30 weiteren "philosophischen praxen" in Deutschland teilt man nicht. "Denen geht es im Kern um Einzelgespräche", sagt Alexander Roesler. Die drei Praktiker beraten zwar auch Einzelpersonen, ihr Hauptaugenmerk gilt jedoch der philosophischen Schulung von Managern.

"Es geht im Kern darum, Entscheidungsprozesse philosophisch zu begreifen und autonomes Denken, Verantwortungsfähigkeit auszubilden.", sagt Knut Sprenger. "Wir konfrontieren die Menschen beispielsweise mit Situationen, in denen traditionelle Denkmodelle nicht mehr gelten." Dabei arbeiten Philosophen gern mit Denkspielen. "Stellen Sie sich vor, Sie wären als Eintagsfliege auf die Welt gekommen", fordern die drei etwa ihre Klienten auf. So sollen sie ihr Denken vom Realen auf das Mögliche wenden.

Doch wer zum Philosophen geht - sei es in die Beratung, in ein Seminar oder zu einer Vortragsreihe, wie sie derzeit alle zwei Wochen dienstags in der Brotfabrik stattfindet -, sollte sich darüber klar sein: Hier gibt es keine Patentrezepte. "Wir geben keine Antwort", sagt Alexander Roesler. Es kommt eher darauf an, eine Frage genau zu stellen.

 
 
 

  © 1994 Werner Pluta, Berliner Zeitung; Mail: , Web: http://www.wpluta.de; 04/99 wp