Erstes Internet-Urteil in China

In Shanghai hat ein Gericht einen chinesischen Programmierer zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er an ein in den USA produziertes Internet-Magazin 30.000 chinesische E-Mail-Adressen weitergegeben hatte.

 
 
  Erschienen im inzwischen abgeschalteten Online-Nachrichtenangebot Newsboard.de am 20. Januar 1999.  
 
 
  Das Erste Mittlere Volksgericht in Shanghai hat heute morgen im Prozeß gegen einen Shanghaier Programmierer und Inhaber eines Software-Unternehmens namens Lin Hai das Urteil gesprochen. Es verurteilte Lin zu einer Haftstrafe von zwei Jahren. Das Gericht warf dem Angeklagten "Anstiftung zum Sturz der Staatsmacht" vor, weil er dem in den USA produzierten Internet-Magazin Da Can Kao (VIP Reference) 30.000 chinesische E-Mail-Adressen zur Verfügung gestellt hatte. Eine Urteilsbegründung gab es nach Angaben von Xu Hong, Lins Frau, nicht.

Anders als bei der Anhörung am 4.Dezember war Xu an diesem Prozeßtag im Gericht zugelassen. Allerdings durfte sie nicht mit ihrem Mann sprechen. Es sei, sagte Hong, das erste Mal gewesen, daß sie ihren Mann seit seiner Verhaftung im März gesehen habe.

Das Shanghaier Gericht sah den Prozeß gegen Lin Hai offensichtlich nicht im Zusammenhang mit den jüngsten Prozessen gegen drei führende Dissidenten, die zu Haftstrafen von 11, 12 und 13 Jahren verurteilt worden waren.

Mit dem ersten Internet-Urteil setzen die chinesischen Behörden ihre restriktive Internet-Politik fort: Ende Dezember hatte ein Gericht in Yangzhou in der Provinz Jiangsu zwei Bankräuber, die mit Hilfe eines Modems ein Geldinstitut um umgerechnet etwa 140.000 Mark erleichtert hatten, zum Tode verurteilt. Kürzlich hat die Regierung in Beijing stärkere Überwachungsmaßnahmen für das Internet angekündigt. Die chinesische Führung ist offensichtlich beunruhigt über das große Internet-Wachstum im Lande.

 
 
 

 
  © 1999 Werner Pluta, Newsboard.de; Mail: , Web: http://www.wpluta.de; 01/02 wp